Solidarität leben und Integration leisten – Ingelheimer Erklärung der Konferenz der Landessportbünde zur Ukraine
Auch die Konferenz der Landessportbünde sieht eine Verpflichtung, sich zu positionieren. Sie verabschiedete am 18. März 2022 in Ingelheim eine Erklärung mit folgendem Wortlaut:
„Solidarität leben und Integration leisten“
Ingelheimer Erklärung der Konferenz der Landessportbünde zur Ukraine
Der Angriff Russlands auf die Ukraine erschüttert seit mehr als drei Wochen die Welt und lässt den Sport dabei nicht aus. Mit tiefer Betroffenheit und Sorge blicken auch die Sportverbände und Sportvereine auf das menschliche Leid, auf Todesopfer, auf Verletzte und auf Menschen, die ihr Land verlassen müssen. Die Konferenz der Landessportbünde will ihren solidarischen Teil zur Unterstützung beitragen, indem
· die Landessportbünde ihre Integrationsleistungen den aus der Ukraine geflüchteten Menschen anbieten. Dazu gehört beispielsweise das Bundesprogramm „Integration durch Sport“, dessen Umsetzung in der Verantwortung der Landessportbünde liegt. Das Programm hat seine Wurzeln vor mehr als 30 Jahren in der Einbindung von Menschen aus der zerfallenden Sowjetunion als „Sport mit Aussiedlern“. Diese Expertise ist bis heute vorhanden und wird nun intensiv eingesetzt.
· die Landessportbünde den von DOSB und Stiftung Deutsche Sporthilfe eingerichteten Solidarfonds „Sportler helfen Sportlern: Zu Gunsten von ukrainischen Sportler*innen“ mit 100.000 € unterstützt, um den Geflüchteten das Ankommen in Deutschland zu erleichtern. Mit diesen Mitteln werden konkrete Projekte gefördert, um geflüchtete Athlet*innen unterzubringen, zu unterstützen und ihnen ihren Sport weiterhin zu ermöglichen.
· die Landessportbünde, Sportverbände und Sportvereine, die selbst Hilfsaktionen gestartet haben, beratend und koordinierend unterstützen. Sofort nach Beginn des Krieges setzte auch im organisierten Sport eine Welle der Hilfsbereitschaft ein, die sich von der Lieferung von Hilfsgütern bis hin zur Aufnahme von Geflüchteten in Vereins- und Vereinsräumlichkeiten sowie Familien erstreckt.
· die Landessportbünde mit ihren Versicherern für Geflüchtete einen umfassenden Unfall- und Haftpflichtversicherungsschutz im Sport kostenfrei anbieten.
· die Landessportbünde auch eigene Räumlichkeiten als Unterkünfte anbieten. Gleichzeitig appelliert die Konferenz der Landessportbünde an die Entscheidungsträger in Ländern und Kommunen, vor der Belegung von Sporthallen für Geflüchtete alle anderen Alternativen in den Blick zu nehmen. Es gibt menschenwürdigere Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete als Sporthallen, vor allem für Frauen und Kinder. Der organisierte Sport will seinen Teil zur Integration so gut wie möglich leisten. Doch Integration braucht Räume – Sporträume sind Integrationsräume!
Der Sport steht für Völkerverständigung, Frieden und Solidarität. Die Konferenz der Landessportbünde verurteilt jeden Krieg und hofft auf ein schnelles Ende aller Kampfhandlungen.
Statement des Bundesprogramms „Integration durch Sport“ zur Ukraine
Der Vollständigkeit halber veröffentlichen wir an dieser Stelle auch das Statement des Bundesprogramms „Integration durch Sport“ zur Ukraine[1], das 1989 in einigen Bundesländern unter der Bezeichnung „Sport für Alle – Sport mit Aussiedlern“ ins Leben gerufen und 1990/1991 auf alle Länder ausgeweitet wurde:
Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine gibt das Bundesprogramm „Integration durch Sport (IdS)“ unter dem Dach des DOSB folgendes Statement ab:
Unsere Solidarität gilt den Ukrainer*innen, die aufgrund des kriegerischen Überfalls aus dem Nachbarland von Tod, Zerstörung und Vertreibung aus ihrer Heimat betroffen sind. Die internationale Loyalität und Unterstützung sind sehr wichtig und notwendig, genauso wie die Verurteilung der politischen Führung Russlands sowie der Boykott im Finanz-, Wirtschafts- und im Sportbereich.
Gleichfalls wichtig ist aber, dass im Zuge dieser Maßnahmen sowie als Folge einer zunehmenden Radikalisierung der russischen Kampfführung, der Krieg seine zerstörerische Wirkung nicht auch in den Köpfen der Menschen entfaltet, und zu einer Polarisierung und Teilung der Gesellschaft führt, die entlang der Ränder von Herkunft und Sprache verlaufen.
„Integration durch Sport“ versteht sich als eine Initiative, die sich den Menschen verpflichtet fühlt. Sie folgt nicht der Logik kriegerischer Auseinandersetzungen, die dem Machtkalkül oder der Raison einzelner Politiker oder Regierungen entspringen. Sie wendet sich gegen jegliche Freund-Feind-Logik in der Gesellschaft.
Das Engagement des Bundesprogramms richtet sich seit seiner Gründung 1989 an zugewanderte und geflüchtete Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen aus ihrer Heimat fliehen mussten. Die Solidarität von IdS gilt ungeachtet der Herkunft, der Hautfarbe, des Glaubens oder der geschlechtlichen Identität. Die Programm-Mitarbeiter*innen und beteiligten IdS-Vereine fühlen sich der Gleichheit aller Menschen verbunden, sie versuchen über den Sport Brücken zu bauen. Sie stellen sich daher dezidiert gegen alle Formen von Rassismus und Diskriminierung – und gegen einen Kollektivschuldverdacht, dem sich viele russlandstämmige Menschen in Deutschland und in der Welt gerade ungerechterweise ausgesetzt sehen.
Wo immer möglich, wird das Bundesprogramm seinen Beitrag leisten, auch die geflüchteten Menschen aus der Ukraine bei ihrer Ankunft und ihrem Aufenthalt in Deutschland zu begleiten. Die etablierten Strukturen des Programms helfen dabei, unter anderem mit Bewegungs- und Unterstützungsangeboten das Ankommen in Deutschland zu erleichtern. Diese Willkommenskultur ist eines der Kernelemente, mit denen IdS in den vergangenen 30 Jahren alle Neuankommenden empfangen hat.
Das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ wird durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) sowie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gefördert und ist als Drittmittelprojekt beim DOSB angesiedelt. …
Zusammenfassend lässt sich - vielleicht - eine Erkenntnis aus dem schrecklichen Geschehen noch herleiten: dass wir in einer demokratischen Gesellschaft leben (dürfen), von der man stets und allezeit profitiert, und wir diese Gesellschaft wertschätzen und schützen müssen. Die Kolleginnen und Kollegen in den Mitgliedsverwaltungen geben diesem Demokratieverständnis und auch dieser Verantwortung ein hoffnungsvolles Gesicht.