Newsletter Oktober 2021
Unsere Themen des Newsletters:
1. Das Bewegungszentrum Düren - ein beachtliches Projekt
2. Förderung von Bewegung, Sport und jungen Talenten – auch ein „Fall“ für Kreissportverwaltungen?
3. DüMo- Das Düsseldorfer Modell der Bewegungs-, Sport- und Talentförderung
4. Interview: Re-Start im Kinder- und Jugendsport
5. Wir stellen vor: Das Kultur- und Sportamt des Rhein-Sieg-Kreises
1. Die gesamte Sportbiografie der Kinder ist wichtig
Das Bewegungszentrum Düren – ein nachahmenswertes Projekt
„Ein langer Weg liegt hinter uns, und es gibt einen Sieger: Kinder und Jugendliche“, freute sich Wolfgang Schmitz, Geschäftsführer des Kreissportbundes Düren e. V. (KSB), als am 10. Januar 2020 in der alten Stadtgärtnerei das BewegungsZentrum Düren eröffnet wurde. Der Bürgermeister der 91.000-Einwohner-Stadt, Paul Larue, sagte dazu nicht ohne Stolz: „Wer die alte Halle kannte und das Outfit und die Möglichkeiten sieht, die heute darin stecken, kann sich nur freuen“ und nannte den KSB-Geschäftsführer und dessen unermüdlichen Verbündeten, den Leiter des Dürener Service Betriebes (DSB), einer Tochter der Stadt, „Zauberer an vielen Stellen in der Stadt“. Wohl nicht zu Unrecht: Stellte Schmitz seine Idee, ein Bewegungszentrum in der Stadt Düren zu schaffen, das alles unter einem Dach vereint, das vor allem Kinder und Jugendliche schon in ganz jungen Lebensjahren in Bewegung bringt, dem Bürgermeister gut zwei Jahre vorher vor, durchlief die „Vision“ erfolgreich die Ausschüsse, um bereits sieben Monate nach Erteilung der Baugenehmigung und nach 3000 von DSB-Mitarbeitern geleisteten Arbeitsstunden in Betrieb zu gehen.
Dabei handelt es sich keinesfalls um ein nullachtfünfzehn Projekt. Vielmehr entstand in unserer Mitgliedsstadt Düren ein „zukunftsfähiges Pilotprojekt“, das es – nach unserer Kenntnis - so in Deutschland noch nicht gibt und das sich von Anfang an einen ganzheitlichen Ansatz auf die Fahnen und ins Konzept geschrieben hat: Mit seinen Angeboten von motorischen Testierungen über Rehabilitations- und Präventionskurse bis hin zu Sport, Spiel und Spaß soll das BewegungsZentrum zentrale Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche, Eltern, Pädagogen, für Jung und Alt sein. Bedeutet in der Praxis: „Vormittags ist das Bewegungszentrum ausschließlich für sportmotorische Testierungen für Kindertageseinrichtungen, Grundschulen und weiterführende Schulen geblockt. Nachmittags und in den Abendstunden wird das Bewegungszentrum für Anschlussmaßnahmen der Testierungen genutzt werden (Sportförderunterricht o. ä.) und öffentlich nutzbar sein.“ Über allem schwebt der Gedanke der Nachhaltigkeit: „Wir wollen im BewegungsZentrum bereits in jungen Lebensjahren den Grundstein legen für lebenslangen Sport mit Freude und Spaß an der Bewegung“, sagt Wolfgang Schmitz. „Deshalb lautet unser Motto ‚back to the roots‘; denn das ‚klassische‘ Turnen will heute keiner mehr machen. Es war vielmehr unser Ziel, Kindern und Jugendlichen eine Bewegungslandschaft mit Aufforderungscharakter, die sie zum Ausprobieren einlädt und dennoch ihre motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten verbessert und darüber hinaus auch noch Spaß macht, zu bieten.“
Wenn man sich daraufhin die „Hardware“ ein wenig genauer ansieht, braucht es nicht viel Phantasie, sich vorzustellen, welches Potenzial in ihm steckt und dass dort die Sportbiografien der Kinder begünstigt und gefördert werden. Denn das liegt Wolfgang Schmitz ebenfalls am Herzen: Dass durch regelmäßige Testierungen der körperliche Entwicklungsstand der Kinder überprüft wird und so für jedes teilnehmende Kind eine Sportbiografie erstellt werden kann, auf deren Basis einerseits Entwicklungsdefizite, aber andererseits auch Talente und Begabungen erkannt und individuell gefördert werden können.
Damit sollte, ist Schmitz überzeugt, so früh wie möglich begonnen werden. Um eine „vollständige“ Sportbiografie zu erreichen, wird in Düren mit ihrer Erstellung bereits in den kommunalen Kindertagesstätten (KiTa) begonnen: „In Abstimmung mit der Stadt Düren, die seit der Vorstellung der Idee beim Bürgermeister und in der Dürener Politik auch bei der Konzeptionierung und Realisierung stets an der Seite des KSB stand, möchten wir 11 Kindertagesstätten, 19 Grundschulen und 10 weiterführende Schulen testen. Für den Aufbau einer individuellen Sportbiografie über die Lebensabschnitte KiTa, Grundschule, weiterführende Schule hinweg legen wir nach unseren Vorstellungen eine angemessene zeitliche Spannbreite zugrunde, an der sich die Entwicklungsschritte gut ablesen lassen.“ Anders als zunächst in einem inzwischen ausgelaufenen Förderprogramm der Landesregierung NRW, das eine einmalige Testierung in Klasse 1 vorsah, seien für die Dürener von Anfang mehrere Testierungen in regelmäßigen Abständen wichtig gewesen, die im Kindergartenalter bei den Vierjährigen ihren Anfang nehmen und sich dann in Klasse 2 der Grundschule fortsetzten. In der 4. Jahrgangsstufe erfolge dann ein sogenannter Re-Check. Inzwischen sei das Projekt mit Erfolg zunächst auf die 5. und 7. Jahrgangsstufen der weiterführenden Schulen ausgeweitet worden. Aktuell wird die Ausweitung auf die 9. Jahrgangsstufe vorgenommen. Als weiteres Dürener Spezifikum kommt hinzu, dass die bereits von anderen Kommunen praktizierten Items der sportmotorischen Tests ergänzt wurden, um – unter Beachtung des Datenschutzes – Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen z. B. von Kind zu Kind, von KiTa-Gruppe zu KiTa-Gruppe, von Schule zu Schule usw.
Zeit für einen Rückblick: Lange bevor die Idee für das BewegungsZentrum reifen und es realisiert werden konnte, war der KSB auf dem Gebiet der Bewegungs- und Sportförderung von Kindern tätig. Ausgangspunkt für die Initiative, sportmotorische Testungen vorzunehmen, seien die Schuleingangsuntersuchungen gewesen. Diese seien aus schulmedizinischer Sicht – Ist das untersuchte Kind schulreif? – aussagekräftig, jedoch nicht aus sportmedizinischer Sicht: Was passiert, wenn motorische Defizite erkannt werden? Welche Maßnahmen sind erforderlich, um das Kind zu fördern? Welche Entwicklung nimmt das Kind? Usw. So startete der KSB 2012 mit einem eigenen Konzept für Testierungen in Schulen. Die mittlerweile – wie in der Stadt Düren - Standard sind.
Zu Beginn der Testierungen musste noch jeweils eine Halle für eine Woche voll gesperrt werden. Die Schulen kamen mit ihren Klassen in die für andere Sport-aktivitäten in dieser Zeit geschlossenen Halle. So konnten zwar viele Kinder erreicht und getestet werden; Nachteil war aber, dass die betroffene Halle vorübergehend weder für den übrigen Schul- noch für jegliche Art von Vereinssport zur Verfügung stand. Die Ausstattung der „genormten“ Schulsporthallen erwies sich nicht immer als besonders kindgerecht, um Kindern früh Spaß an Bewegung zu vermitteln und spielerisch die fünf motorischen Grundfertigkeiten Ausdauer, Beweglichkeit, Koordination, Kraft und Schnelligkeit zu fördern. Aus diesen Erfahrungen und Überlegungen entstand die Idee des BewegungsZentrums als zentrale Anlaufstelle für Schülerinnen und Schüler, für Eltern, für das pädagogische Personal in Kindertagesstätten und Schulen, für KiTa und Schule, kurz für alle, die sich für die kindliche Förderung verantwortlich fühlen. Im Januar 2020 konnte das BewegungsZentrum eröffnet werden.
Im März 2020 kam Corona – und mit der Pandemie der erste Lockdown. Der hoffnungsvolle Beginn kam zum Erliegen. Aber nicht die Motivation und die Kreativität des Teams um Wolfgang Schmitz. Es ist bestens gewappnet und steht für den Re-Start bereit.
Der dann auch bestens gelungen ist: Im Frühjahr 2021 hatte sich der KSB beim WDR beworben, im Rahmen der Sendung mit der Maus an dem Projekt „Türen auf“ teilzunehmen – und bekam für Sonntag, den 03. Oktober 2021, den Zuschlag. Das BewegungsZentrum veranstaltete zum Thema „Sporthalle der Zukunft“ unter 3-G-Regeln einen Tag der Offenen Tür für die – wie es in einer Ankündigung hieß – 2- bis 99-Jährigen. „Das war der Knaller“, zeigt sich Wolfgang Schmitz auch ein paar Tage danach noch vollends begeistert. „Wir hätten mindestens zweieinhalb Mal so vielen Besucherinnen und Besuchern unsere Halle präsentieren können. Aber bei 400 Interessierten, die fast ausnahmslos von auswärts kamen, mussten wir unsere Anmeldeliste schließen.“
Und die Stadt Düren? Sie ist, wie der 2020 gewählte Bürgermeister Frank-Peter Ullrich, der sich weiterhin einer komfortablen Mehrheit im Rat der Stadt gewiss sein kann, von dem Projekt absolut überzeugt, werden mit diesen offenen Sport- und Bewegungsangeboten doch alle Bevölkerungsschichten, besonders aber Kinder und Jugendliche erreicht und motiviert, auf attraktive Weise etwas für ihre Gesundheit zu tun. Damit das gewährleistet ist, ergänzt Dirk Keimes vom Schulverwaltungs- und Sportamt, stehen auch 2021 wieder Mittel zur Finanzierung im Haushalt der Stadt bereit.
Bei so viel Enthusiasmus verwundert es nicht, dass Wolfgang Schmitz zum Schluss des Interviews sagt: „Wir würden uns sehr freuen, den Mitgliedskommunen der ADS auf einer Tagung oder in einem Workshop unser Konzept vorstellen und unsere Halle mit allen ihren Möglichkeiten präsentieren zu können.“
2. Förderung von Bewegung, Sport und jungen Talenten – auch ein „Fall“ für Kreissportverwaltungen
Wir wollten es wissen. Was motiviert einen Kreis dazu, sich auf dem Gebiet sportmotorischer Tests an Grundschulen zu engagieren, wie es der Rhein-Sieg-Kreis seit 2019 tut?
Dieses Engagement hat eine Vorgeschichte. Sie hat mit dem Modell der NRW-Leistungssportregionen zu tun, das vom Land Nordrhein-Westfalen und dem Landessportbund initiiert und eine Zeitlang gefördert worden ist. Der Rhein-Sieg-Kreis umschließt die Bundesstadt Bonn und erstreckt sich auf beiden Seiten des Rheines. Stadt und Kreis bilden eine in vielerlei Hinsicht miteinander eng verwobene Region. Das gilt besonders auch für den Sport, der an kommunalen Grenzen nicht Halt macht. Folgerichtig verstehen wir uns als eine gemeinsame Leistungssportregion und haben uns auf dieser Grundlage zusammen mit dem Stadtsportbund Bonn und dem Kreissportbund des Rhein-Sieg-Kreises sowie unter Beteiligung des Olympiastützpunktes Rheinland im Jahr 2014 zur „NRW-Leistungssportregion Bonn/Rhein-Sieg” zusammengeschlossen. Ziel dieses auf drei Jahre angelegten und vom LSB geförderten Projektes war der Aufbau von gemeinsamen Strukturen zur Stärkung des Leistungssports in der Region. Von Anfang an hatten wir uns dabei vorgenommen, möglichst flächendeckend in Stadt und Kreis sportmotorische Tests durchzuführen, die einerseits der Talentsichtung und -förderung dienen, aber ebenso motorische Defizite aufzeigen sollten. In einer Pilotphase haben die Kolleginnen und Kollegen in Bonn damit 2015 angefangen.
Als das Modellprojekt „NRW-Leistungssportregion Bonn/Rhein-Sieg” im Jahr 2017 auslief, waren wir uns einig, weiterhin den Leistungssport in der Region durch gemeinsame Aktivitäten zu fördern, an der Umsetzung der bisherigen inhaltlichen Ziele zu arbeiten und diese in dauerhafte Strukturen zu überführen. Wir haben dazu mit den bisherigen Beteiligten eine „Arbeitsgemeinschaft Leistungssport“ ins Leben gerufen. Eines der gemeinsam vereinbarten Ziele ist weiterhin die Durchführung sportmotorischer Tests an den Grundschulen in beiden Gebietskörperschaften.
Dazu hatte sich der Kreissportbund Rhein-Sieg (KSB) bereit erklärt, das Projekt im Rhein-Sieg-Kreis zu koordinieren. Er entwickelte ein Konzept unter wissenschaftlicher Begleitung, das nach einer Pilotphase einen flächendeckenden Ansatz verfolgte. Wir verständigten uns darauf, das Projekt von KSB und Rhein-Sieg-Kreis gemeinsam zu finanzieren, wobei der Kreis im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel die Kosten für die vom KSB eingesetzten Helferinnen und Helfer bis zu einem festgesetzten Höchstbetrag übernehmen würde. Dieses Konzept überzeugte die politischen Gremien des Rhein-Sieg-Kreises uneingeschränkt. Das Projekt konnte 2019 zunächst mit jeweils einer Grundschule in zwei kreisangehörigen Kommunen beginnen.
Unter anderem vor dem Hintergrund, eine große Vergleichbarkeit zu erhalten und den Stand der motorischen Fähigkeiten – inklusive der Schwimmfähigkeit – der Kinder in der Jahrgangsstufe 2 im Landesvergleich festzustellen, wird seither die Testung mit dem Motorischen Test für NRW des seinerzeitigen Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport durchgeführt und nach zwei Jahren wiederholt, um dann ggf. Tendenzen in der persönlichen Entwicklung der Kinder erkennen und Empfehlungen für Bewegungsangebote geben zu können.
Allen am Projekterfolg Beteiligten war von Anfang an klar, dass es sich bei diesem Modell um einen Prozess handelt, der stetig weiterentwickelt werden muss, um eine Grundlage für gezielte Präventions- und Bewegungsangebote für Kinder zu schaffen. Es sollen, wie der KSB im ersten Bericht vom 21.08.2019 ausführt, „gezielt Sportangebote unterbreitet werden, um evtl. Defizite in der motorischen Entwicklung auszugleichen – aber auch entsprechende Talente zu fördern. Dazu zählt die Ausweitung von Sport- und Bewegungsangeboten im Ganztag, die ganz oder teilweise von Sportvereinen durchgeführt werden können.”
Dann kam Corona, und was so erfolgversprechend begonnen hatte, wurde durch den Lockdown mit der Schließung der Schulen drastisch abgebremst. Die Pandemie hat den Kinder- und Jugendsport, ob in der Schule, im Verein oder selbstorganisiert in der Freizeit, voll erfasst. Zeigten schon die ersten Ergebnisse mit einer noch relativ geringen Zahl an Testungen, dass sich ein großer Teil der Kinder zu wenig bewegt, so muss nun befürchtet werden, dass aufgrund des Lockdowns für ganze Jahrgänge das organisierte Sport- und Bewegungsangebot weggebrochen ist. Es ist abzusehen, dass dieser Einschnitt Auswirkungen auf die motorische Leistungsfähigkeit und mittelbar – so unsere Sorge – auch auf die Gesundheit der Kinder haben wird.
Jetzt könnte das Projekt wieder neu starten. Aber das ist nicht so einfach; denn die Schulen haben – wie man sich denken kann – nach der langen Schließzeit erst einmal andere „Sorgen”. Fraglich ist auch, ob an den Schulen, die vor zwei Jahren getestet worden sind, jetzt die zweite Phase, also die Wiederholungstestung der Kinder, die schon einmal getestet worden sind, durchgeführt werden kann. Wie lange haben die Kinder keinen Sportunterricht mehr gehabt? Welche alternativen Sport- und Bewegungsangebote standen ihnen überhaupt zur Verfügung? Uns liegt viel daran, dass dem KSB mit seinen Partnern, den Schulen, dem Schulamt bzw. den Schulräten, der Sportwissenschaft und den übrigen Beteiligten ein Neustart gelingt – wenn auch noch nicht zum Schuljahresbeginn, aber evtl. zum Schulhalbjahreswechsel, und wahrscheinlich noch nicht flächendeckend, sondern auf freiwilliger Basis an einigen ausgewählten Grundschulen im Rhein-Sieg-Kreis. Das Projekt aufzugeben – daran denkt niemand.
3. DüMo - Das Düsseldorfer Modell der Bewegungs-, Sport- und Talentförderung
Das Sportamt Düsseldorf lebt in bemerkenswerter Weise ein Motto des Unternehmers Philipp Rosenthal: „Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden.“ Seit 2002 erfolgreich im „Düsseldorfer Modell der Bewegungs-, Sport- und Talentförderung“ äußerst erfolgreich unterwegs, haben sich die Kolleginnen und Kollegen des Sportamts längst und nicht erst seit der ADS-Jahrestagung 2007 in Düsseldorf den Ruf der strategisch denkenden Experten erworben, ja, mehr noch (was ebenfalls zum Denken des zitierten Unternehmers passt): Das Sportamt kooperiert nicht nur verwaltungsintern mit anderen Ämtern wie dem Gesundheitsamt und dem Schulamt und koordiniert die Aktivitäten der beteiligten Bädergesellschaft, des Sportbundes und der Sportvereine, sondern lässt auch bewusst und unter anderem zur Weiterentwicklung des Modells andere Kommunen am über die Jahre erworbenen umfangreichen Expertenwissen und an den stets lösungsorientierten Erfahrungen teilhaben. Zu unzähligen Vorträgen wurden die Kolleginnen und Kollegen des Düsseldorfer Sportamtes, die regelmäßig als die Erfinder des Bewegungs-, Sport- und Talentfördermodells bezeichnet werden, was sie selbst ebenso regelmäßig richtigstellen, indem sie darauf verweisen, dass sie „nur“ das in Paderborn (vgl. auch ADS-Jahrestagung 2006 in Paderborn) seinerzeit schon bestehende Talentförderprogramm um die Bereiche Bewegungs- und Sportförderung erweitert hätten, eingeladen. Ein paar Jahre und mehr als 100.000 Testungen weiter ist es nur folgerichtig, die Erfahrungen und Erkenntnisse in einem Buch zusammenzufassen und die Ergebnisse den interessierten Kolleginnen und Kollegen aus anderen Kommunen zur Verfügung zu stellen.
Als das Buch auf meinem Schreibtisch landete, hat es mich sofort gelockt, darin zu stöbern. Auch wenn es keinen der in heutiger Zeit oft vorzufindenden reißerischen Titel hat, macht es die Leserinnen und Leser allein schon aufgrund des langen Untersuchungszeitraumes von 15 Jahren neugierig, mehr über den Nutzen der Testungen und die gewonnenen Erkenntnisse zu erfahren. Die bietet „DüMo“ in Hülle und Fülle. Im ersten Teil werden der theoretische Rahmen, die Diagnostik und die Fördermaßnahmen bzw. die Konsequenzen anschaulich und verständlich dargestellt. Schon dabei wird deutlich, dass das Düsseldorfer Modell – wie es der Oberbürgermeister in seinem Vorwort beschreibt – ein „work in progress“ ist, das stets auf aktuelle Entwicklungen reagiere, um seinen Erfolg zu sichern.
Im zweiten empirischen Teil werden nicht nur die Ergebnisse aufgezeigt, die zum Teil miteinander verglichen und mit entsprechenden Empfehlungen für Fördermaßnahmen verknüpft werden, sondern es erfolgt auch eine umfassende Evaluation des Modells. Mehr noch: Für den „schnellen Leser“ werden zudem die Kernaussagen des Modells auf wenigen Sätzen zusammengefasst.
Die von den Düsseldorfer Kollegen Clemens Bachmann, Knut Diehlmann und Boris Kemper gemeinsam mit Prof. Dr. Theodor Stemper (Bergische Universität Wuppertal), der das Modell von Anfang an wissenschaftlich begleitete, verfasste Dokumentation „DüMo – Düsseldorfer Modell der Bewegungs-, Sport- und Talentförderung – Konzept, Normwerte, Untersuchungsergebnisse 2003 – 2018“ ist 2020 als Band 4 der „Studien zu Fitness & Gesundheit“ im LIT Verlag erschienen – ISBN 978-3-643-14778-3 -. Das Buch kann über den LIT Verlag erworben werden (https://www.lit-verlag.de/isbn/978-3-643-14778-3) und kostet 39,90 €. Über den Buchhandel kann es ebenso bestellt werden.
Einen Hinweis bekam ich von den Kollegen aus Düsseldorf noch. Da sich das Modell stetig weiterentwickelt, wurde aufgrund einer Evaluation die Namensgebungen angepasst. Das bekannte DüMo firmiert seit Anfang 2021 unter CHECK`D.
Fünf Fragen an Eva Kulot, Leiterin des Sportamtes Düsseldorf
1. Die Stadt Düsseldorf gilt als eine der “Mütter” der Bewegungs-, Sport- und Talentförderung. Ihr Modell wird erfreulicherweise von vielen Kommunen nachgeahmt. Warum ist die Bewegungs-, Sport- und Talentförderung aus Ihrer Sicht so wichtig und warum haben Sie von Anfang an darauf gesetzt, andere Städte, Gemeinden und Kreise an Ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen?
Eva Kulot:
Düsseldorf ist die Mutter der Bewegungs-Sport- und Talentförderung. Vorbild für uns war allerdings das Paderborner Modell, welches die Grundidee schon sehr gut in den neunziger Jahren aufgestellt hat. Wir haben diese Grundidee dann in Düsseldorf in eine ganz andere Dimension gehoben. Ein solch umfangreiches Modell ist schon einzigartig. Selbstverständlich haben wir andere Städte und Kommunen motiviert und unterstützt, ein solches Modell gleichfalls umzusetzen, da es hierbei schließlich um eine bestmögliche Förderung der Kinder geht. Je mehr Kinder deutschlandweit – gerne auch weltweit - von solchen Förderungen profitieren, umso besser. Einige Städte konnten dabei oft zunächst nur Teilbereiche aus dem CHECK`D (Düsseldorfer Modell der Bewegungs-, Sport- und Talentförderung) realisieren, aber auch das ist sehr hilfreich bzw. ein erster wichtiger Schritt. Die Städte müssen unser Modell dann lediglich auf die jeweiligen Begebenheiten vor Ort anpassen. Ich empfehle grundsätzlich, auf unsere sportmotorischen Tests zurückzugreifen, weil die Tests eine hohe Testökonomie haben und weil es deutschlandweit - vermutlich sogar weltweit – keine annäherd so gute Datensituation gibt. Wir können die Kinder viel altersgerechter bewerten als dies alle andere Tests können, die bisher „auf dem Markt sind“.
2. Ihr “Erfahrungsschatz” umfasst nun schon bald zwei Jahrzehnte. Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erkenntnisse und warum sollten noch viel mehr Kommunen ein entsprechendes Programm auflegen?
Eva Kulot:
Wir haben von Beginn an im Schuljahr 2002/2003 alle Kinder der zweiten Klassen getestet und haben daher eine unschlagbare Datenlage. Dies hilft uns eine Lanze für die Kinder zu brechen, die oft zu Unrecht in den Medien schlecht geredet werden. Tatsache ist, dass die Kinder eine gleichbleibend gute Fitness haben, wir einen Rückgang bei Übergewicht und Adipositas nachweisen können und eine tolle Schwimmquote dokumentieren können - Kinder lernen übrigens immer früher schwimmen, so die Situation vor Corona. Auf die „Nach-Corona-Zahlen“ sind wir schon gespannt.
Wir wissen dann aber auch, wo welche Bedarfe sind, um Kinder zielgerichtet zu fördern, deshalb setzen wir auf verschiedene Förderangebote in den Bereichen Bewegungsförderung, Sportförderung und Talentförderung. Kinder optimal zu fördern sollte für Kommunen Motivation genug sein, ein solches Progarmm aufzusetzen. Durch unsere Vernetzung mit internen und externen Partnern haben wir ein gesamtstädtisches Förderkonstrukt, das über den eigentlichen Sport weit hinausgeht. Hier geht es um eine ganzheitliche Förderung der Kinder. Ich kann nur Empfehlen unsere Erfahrungswerte zu nutzen. Bevor man das berühmte Rad selber erfinden will, kann man auch unser praxiserprobtes Modell als Grundlage nehmen und die Energie für eine entsprechende Adaption und Optimierung für die eigene Kommune nutzen. Wir tauschen uns mit anderen Kommunen aus und haben durch den gemeinsamen Austausch auch viel gelernt.
3. Beim CHECK`D arbeiten Sie verwaltungsintern und –extern mit vielen Partnern in einem funktionierenden Netzwerk zusammen. Wer sind wichtige Partner für Sie und welche weiteren Erfolgsfaktoren sichern das Düsseldorfer Modell ab?
Eva Kulot:
Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit gibt es auf verschiedenen Ebenen und in vielen Bereichen: Wir haben wichtige Partner, die ganz wesentlich dazu beitragen Förderangebote für die Kinder umzusetzen. Wir haben Partner mit denen gesamtstädtische und ganzheitliche Förderkonzepte und modellhafte Pilotprojekte aufgebaut werden und wir sind Partner für viele gesamtstädtische Planungen außerhalb des Sports im engeren Sinne. So sind wir auch Teil im Präventionskonzept U27, bei der integrierten Quartiersentwicklung, Raumwerk D, Mobilitätskonzept 2030 usw.
Bei den Förderangeboten sind ganz wichtige Partner beispielweise das Jugendamt, die Bädergesellschaft, die Düsseldorfer Sportvereine. Mit dem Jugendamt stellen wir u.a. die beiden Erfolgsveranstaltungen Olympic Adventure Camp (OAC) und Kita-Bewegungscamp auf die Beine. Bei OAC, Kids in Action und Talentiade sind die Vereine und Stützpunkte sehr wichtige und zuverlässige Partner und gemeinsam mit der Bädergesellschaft und dem Jugendamt haben wir die Schwimmförderung in Düsseldorf weit nach vorne gebracht.
Bei den sportmotorischen Untersuchungen sind wir dank der guten Zusammenarbeit mit dem Amt für Schule und Bildung, der Schulaufsicht und dem Gesundheitsamt von Beginn an bestens aufgestellt.
Weitere Erfolgsfaktoren sind die Überprüfung des Modells und der Maßnahmen, die Anpassung an aktuellen Begebenheiten, der Blick über den Tellerrand, Festhalten an Gutem und Bewährten bei gleichzeitiger Offenheit und Umsetzung für und von Neuem.
Der wichtigste Erfolgsfaktor heißt sicherlich aber Prof. Dr. Theodor Stemper, mit dem das „CHECK`D“-Team nicht nur sportwissenschaftlich von Beginn an bestens zusammengearbeitet hat, sondern der auch auf persönlicher Ebene für die Mitarbeitenden des Sportamtes ein Gewinn war.
4. Die Corona-Pandemie ließ auch das Düsseldorfer Sportamt und seine Projekte und Vorhaben nicht unberührt. Wie wirkte sich Corona auf CHECK`D aus und vor welche Herausforderungen sahen Sie sich plötzlich gestellt? Was konnten Sie in Zeiten des Lockdowns überhaupt noch tun und wie geht es jetzt weiter bzw. muss es weitergehen?
Eva Kulot:
Bereits vor dem Lockdown haben wir eine digitale Transformation des CHECK`D konzipiert. Wir haben also die Zeit intensiv genutzt, um ein digitales Sportportal zu entwickeln. Eltern wird als erstes auffallen, dass die Auswertungen der motorischen Kindertests in der digitalen Form ausführlicher und verständlicher als die klassischen Papierauswertungen sind. Über die sportlichen Fähigkeiten und Neigungen der Kinder, können wir mit Hilfe von künstlicher Intelligenz nicht nur Sportarten empfehlen, sondern auch direkt auf Sportangebote in unserer Stadt verweisen. Diese Herangehensweise wurde dann auch im Mai dieses Jahres mit dem "German Innovation Award" ausgezeichnet, worauf wir sehr stolz sind.
Wir wollten uns aber auch um das Sporttreiben von erwachsenen Bürger*innen kümmern und einer drohenden Kündigungswelle von Mitgliedern in Sportvereinen entgegenzuwirken bzw. diese wieder zurückzudrehen. Wir verfolgen dabei ebenfalls einen ungewöhnlichen Ansatz: Im Sportportal versuchen wir die Motivationen der Bürger*innen Sport zu treiben über ein einfaches Anklicken von Bilder zu ermitteln. Es wird danach nicht nur anschaulich ein Motivationsprofil angezeigt, sondern auch wieder passende Sportarten und entsprechende Angebote.
Leider konnten unsere traditionellen Sportveranstaltungen wie "KIDS IN ACTION" oder das "OLYMPIC ADVENTURE CAMP" unter den bestehenden Corona-Verordnungen nicht wie gewohnt durchgeführt werden. Also haben wir Konzepte erarbeitet und diese mit den Kolleginnen und Kollegen des Ordnungsamts und des Gesundheitsamts abgestimmt. Immer wieder mussten wir bei den Planungen Anpassungen vornehmen. Aber wenn man bei den Veranstaltungen dann die glücklichen Kinder sieht und auch noch ein so tolles Feedback von beteiligten Vereinen und Eltern bekommt, hat sich die ganze zusätzliche Arbeit mehr als gelohnt.
Es entstanden aufgrund von Corona aber auch andere Formate, die uns durch die positive Resonanz überlegen lassen, diese eventuell fortzusetzen. Als Beispiel sei unser Kids in Action Special genannt, wo wir mit Hilfe der App PLAYSPORTS ein dezentrales Kids in Action innerhalb von 6 Wochen auf die Beine gestellt haben.
5. Es gibt nichts, was man nicht noch verbessern könnte, heißt es in vielen Lebenslagen. Auf CHECK`D bezogen: Was würden Sie sich für seine Zukunft wünschen?
Eva Kulot:
Durch die digitale Transformation machen wir CHECK`D zukunftssicher. Die Darstellung der Testergebnisse und die Möglichkeit der Selbstberatung sind dabei die ersten Schritte. In weiteren Entwicklungsschritten wünsche ich mir eine noch engere Verzahnung mit Vereinen und Schulen, damit wir alle noch effizienter zusammenarbeiten können.
In Bezug auf die Bürgerinnen und Bürger haben wir die Hoffnung, dass wir durch das digitale Medium neue Nutzergruppen ansprechen können, um sie für den analogen Sport zu gewinnen. Denn darum machen wir das ganze doch: Wir möchten allen Bürger*innen den Spaß an der Bewegung vermitteln und für mehr Lebensqualität sowie eine gesunde Lebensweise sorgen.
Für die Kinder insgesamt wünsche ich mir, dass noch mehr Kommunen unserem Vorbild folgen. Und für die vielen tollen Sportarten, die im CHECK`D vertreten sind, wünsche ich mir, dass diese medial noch sichtbarer werden und dadurch bestimmt noch bekannter und beliebter werden. Wir unterstützen gerne dabei, eine neue Lieblingssportart zu finden.
4. Re-Start im Kinder- und Jugendsport
Durch die Corona-Pandemie sind viele Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche weggefallen, körperlich aktiv zu sein. Sport und Bewegung in Kindertagesstätten, Schulen und Sportvereinen fanden plötzlich nicht mehr statt. Ja, nicht einmal im Freundeskreis und in der Freizeit bestand zeitweise keine und nur eingeschränkt die Möglichkeit, sich – wie es „normal“ sein sollte – körperlich zu betätigen und zu bewegen. Mit Folgen für die körperliche, psychosoziale, emotionale und geistige Gesundheit der jungen Menschen.
Schon vor Corona haben viele Kinder und Jugendliche die empfohlene tägliche Bewegungszeit nicht erreicht. Diese Beobachtung hat sich in Zeiten der Lockdowns noch verschärft. Hinzu kommt der Mitgliederrückgang in den Sportvereinen gerade unter den jungen Mitgliedern, deren Vereinsmitgliedschaft von den Eltern – nicht selten aus wirtschaftlichen Gründen – gekündigt wurde und die von Spiel, Sport und Bewegung ins eher bewegungslose E-Gaming „abwandern“. Mit ebenfalls noch nicht absehbaren gesundheitlichen Folgen und sicher nicht zur Freude der Eltern.
Das Bundesgesundheitsministerium hat unter der Federführung des Robert-Koch-Institutes und unter anderem unter der Mitwirkung von Eltern-, Lehrer- und Schülervertretungen, der deutschen Sportjugend und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung drei jeweils fünf bis sechs Seiten umfassende Informationsblätter zur „Bewegungsförderung von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie“ herausgegeben, um „körperliche Aktivität (zu) ermöglichen“ in der „Lebenswelt Kindertagesstätte“, in der „Lebenswelt Schule“ und in der „Lebenswelt Sportverein“. Dabei macht sich das Bundesgesundheitsministerium unter anderem die Erkenntnis zunutze, „dass Kinder und Jugendliche, die sich viel bewegen, auch später als Erwachsene und im Seniorenalter häufiger körperlich aktiv sind. Sie können dadurch über ihre gesamte Lebensspanne hinweg von den positiven Wirkungen körperlicher Aktivität profitieren.“ Mit diesen Informationsblättern will das Bundesgesundheitsministerium alle an der Entwicklung der jungen Menschen Beteiligten erreichen: die Eltern, die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen, die Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten, Betreuerinnen und Betreuer, Trainerinnen und Trainer in den Vereinen.
Das ist auch für die Städte, Gemeinden und Kreise ein Thema. Sie müssen Corona bei der täglichen Arbeit nach wie vor im Blick haben. Sie sind es, die oft selbst Träger von Kindertagesstätten, mindestens aber deren Förderer sind. Sie sind Sachaufwandsträger von Schulen und fördern finanziell und durch Sach- und Dienstleistungen die gemeinnützigen Sportvereine. Auch wenn nach und nach wieder Normalität einkehrt; den Zustand vor der Pandemie haben wir aber längst noch nicht wieder erreicht.
Darüber sprachen wir mit dem Sportwissenschaftler Dr. Christian Buschmann, der den Gesundheits- und Breitensport zu seinem Forschungsobjekt gemacht hat und Referent der Sportjugend im Kreissportbund des Rhein-Sieg-Kreises (KSB) und somit prädestiniert ist, die Thematik aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten.
Herr Dr. Buschmann, Sie sehen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit in der Sportjugend des KSB in den Bereichen Kindertagesstätten, Schule einschließlich des Ganztages und der Kinder- und Jugendarbeit in den Sportvereinen. Inwieweit stellte Corona eine Zäsur in Ihrer Arbeit dar? Wie hat sich die Pandemie konkret auf Ihre Arbeit in den vergangenen anderthalb Jahren ausgewirkt? Wird Ihre Arbeit aktuell noch eingeschränkt? Und welche Maßnahmen halten Sie für erforderlich bzw. haben Sie probiert, einen Re-Start des Kinder- und Jugendsports zu ermöglichen?
CHRISTIAN BUSCHMANN: Wie in allen Bereichen wurde unsere Arbeit auch von jetzt auf gleich auf den Kopf gestellt. Die sportpraktische Arbeit wurde auf Null gestellt und unsere Tätigkeiten lagen mehr im konzeptionellen, theoretischen und verwaltungstechnischen Bereich.
Fort- und Ausbildungen sowie Sport- und Spielfeste wurden zunächst verschoben und schließlich oft komplett abgesagt.
Zunächst ging es einfach darum die Vereine so gut es geht mit Informationen zu versorgen - in erster Linie über Fördermöglichkeiten und später bei der Umsetzung der Hygienekonzepte.
Hierbei traten v.a. altbekannte Probleme auf: vielen Vereinen fehlte eine entsprechende hauptamtliche Struktur diese verwaltungstechnischen Aufgaben zu meistern. Das ehrenamtliche Engagement in unseren Sportvereinen ist immer wieder beeindruckend, doch wir brauchen mehr hauptamtliche Strukturen, die unsere Ehrenämter entlasten – gerade in solchen „Krisenzeiten“.
Bei den Hygienekonzepten kam es zu Konflikten bei den Zuständigkeiten. Wer ist verantwortlich für das Hygienekonzept in einer Sporthalle? Die Stadt? Die Kommune? Die Schule? Der Sportverein?
Hier waren Sportvereine mit eigenen Anlagen klar im Vorteil.
Doch viel wurde von den Sportvereinen auch in eigener Hand bravourös gemeistert: Umstellung auf digitale Angebote, alternative Angebote an der frischen Luft, Trainingspläne für zu Hause etc.
Besonders die Großsportvereine und Vereine im (groß-)städtischen Raum haben gerade im Kinder- und Jugendbereich hohe Mitgliederverluste zu verzeichnen. Was ist aus Ihrer Erfahrung notwendig, um Kinder und Jugendliche wieder für – gemeinsames – Sporttreiben zurückgewonnen werden?
CHRISTIAN BUSCHMANN: Als Dachverband ist u.a. Lobbyarbeit eine zentrale Aufgabe. Mit Kampagnen wie #trotzdemsport vom Landessportbund NRW werden den Vereinen Praxisbeispiele, wertvolle Anleitungen, hilfreiche finanzielle Fördermöglichkeiten und weitere Anreize zur Verfügung gestellt.
Mit unserer eigenen Initiative „Ich bleibe dabei“ möchten wir ein Zeichen setzen und die Vereinsmitglieder dazu ermutigen, ihrem Verein treu zu bleiben. Dazu wurden alle Stadt- und Gemeindesportverbände mit der Botschaft "Lassen Sie uns gemeinsam alle Sportvereine in der Region in dieser schwierigen Zeit stärken und für Solidarität werben" kontaktiert. Spontan sagten 14 Verbände zu, die Aktion zu unterstützen.
Aber neben dieser eher moralischen Unterstützung müssen wir vor allem unsere Arbeit wieder aufnehmen und da weiter machen, wo wir aufgehört haben: Die Förderung von vereinseigenen Sportstätten unterstützen, die Vernetzung von Schule, Kita und Sportverein voranbringen, unsere Fortbildungsprogramme durchführen …
Die Corona-Pandemie hat uns teilweise auch die Augen geöffnet und negative Entwicklungen wie zum Beispiel die fortschreitende Bewegungsarmut bei Kindern und Jugendlichen begünstigt. Der schon vor der Pandemie bestehende Investitions- und Sanierungsstau bei den Sportstätten tat ein Übriges. Welche Chancen sehen Sie, schnell und gut aus der Pandemie herauszukommen und was raten Sie den Erzieherinnen und Erziehern, den Lehrerinnen und Lehrern und den Trainerinnen und Trainern, damit der Re-Start in den Institutionen gelingen kann? Wie können aus Ihrer Sicht die Städte, Gemeinden und Kreise, deren Aufgabe die Förderung von Sport und Bewegung ist, diesen Re-Start unterstützen?
CHRISTIAN BUSCHMANN: Diese Pandemie hat uns nochmal vor Augen geführt, wie hoch der Stellenwert von Sport und Bewegung für die Gesundheit und für die kindliche Entwicklung ist. Zudem wurde klar, welch enorm wichtige Rolle hierbei die Sportvereine spielen.
Klar wäre hier vor allem eine finanzielle Unterstützung (unter anderem bei den Sportstätten) notwendig. Doch da die Pandemie zu hohen Kosten in allen Bereichen geführt hat – und zudem die Flutkatastrophe den Rhein-Sieg-Kreis hart getroffen hat – sollten wir vermehrt auf Netzwerkarbeit und Kooperationen bauen: Sportvereine untereinander, mit Schulen, mit Kitas, mit Städten, mit Kommunen …. Z. B. durch gemeinsame Nutzung von Sportstätten oder dort, wo es möglichmöglich ist, auf alternative Flächen wie Parks, Parkplätze, Büroräume etc. ausweichen …
Hier gilt es vor allem, bürokratische Hürden zu minimieren.
Noch ein Wort zu Ihrem Kooperationsprojekt mit dem Rhein-Sieg-Kreis: die sportmotorische Testung an Grundschulen im gesamten Kreisgebiet. Seit wann gibt es dieses Projekt, welches Ziel verfolgen Sie damit und welche Auswirkungen hatte auch hier die Corona-Pandemie?
CHRISTIAN BUSCHMANN: Nachdem es mehrere Regionen bereits erfolgreich vorgemacht haben, gibt es das Projekt „Sport- und Bewegungsförderung an Grundschulen“ im Rhein-Sieg-Kreis seit 2019. Die sportmotorische Testung spielt hierbei eine zentrale Rolle. In Kooperation mit dem Kreis möchte der Kreissportbund sukzessive die motorischen Fähigkeiten der Schüler*innen aller Grundschulen im Rhein-Sieg-Kreis erheben.
Wir haben uns für diese Testmöglichkeit entschieden, um eine große Vergleichbarkeit zu erhalten und den Stand der Kinder im Landesvergleich zu dokumentieren.
Zudem soll die Testung nach zwei Jahren wiederholt werden. Dadurch können Tendenzen in der persönlichen Entwicklung dargestellt und Empfehlungen für Bewegungsangebote gegeben werden.
Bei diesem Modell handelt es sich um einen Prozess der kontinuierlich vorangetrieben und entwickelt werden soll, um so die Grundlage für Präventions- und Bewegungsangebote zu schaffen. Es sollen gezielt Sportangebote unterbreitet werden, um evtl. Defizite in der motorischen Entwicklung auszugleichen - aber auch entsprechende Talente zu fördern. Dazu zählt die Ausweitung von Sport- und Bewegungsangeboten im Ganztag, die ganz oder teilweise von Sportvereinen durchgeführt werden könnten.
Nach einem sehr erfolgreichen Start war die Pandemie natürlich auch für uns ein enormer Rückschlag, und wir mussten viele Schulen und Vereine auf unbestimmte Zeit vertrösten. Nach einigen – leider noch erfolglosen – Wiedereinstiegsversuchen wollen wir Anfang nächsten Jahres wieder voll durchstarten. Priorität wird hier auf dem Re-test der damaligen Zweitklässler*innen sein, die jetzt bereits die vierte Klasse besuchen. Wir sind sehr auf die Ergebnisse gespannt und können nur hoffen, dass sich die bewegungsarme Zeit der Pandemie nicht zu sehr bemerkbar gemacht hat.
Zudem werden wir wieder vereint mit unseren Gemeinde- und Stadtsportverbänden versuchen, unsere Sportvereine vermehrt in den Ganztag zu integrieren, um unser Vereinsleben durch Zuwachs im Kinder- und Jugendbereich zu stärken.
Ein weiteres Ziel wird es sein, unseren bereits geplanten „Tag der Talente“ durchzuführen, wo wir den Kindern die Möglichkeit geben wollen, sich in verschiedenen Sportarten auszuprobieren und die Sportvereine sich entsprechend präsentieren können.
Zur Person:
Prof. Dr. Christian Buschmann ist Referent bei der Sportjugend im Kreissportbund Rhein-Sieg e.V., Dozent an der Hochschule für angewandtes Management für den Bereich „Sport und Gesundheit“; Ehrenamtlich tätig im eigenen Sportverein FC Rot-Weiss Lessenich, im Beirat der Gesellschaft für Prävention e.V. sowie im Fachbeirat Sport der Kreissparkassenstiftung.
5. Wir stellen vor: Das Kultur- und Sportamt des Rhein-Sieg-Kreises
In jeder Ausgabe des ADS-Newsletters stellen wir den Leserinnen und Lesern die Sportverwaltung in einer Mitgliedsstadt oder in einem Mitgliedskreis vor. Dieses Mal haben wir mit Rainer Land, dem Leiter des Kultur- und Sportamts des Rhein-Sieg-Kreises mit Sitz in Siegburg gesprochen, dessen Selbstverständnis mit den Kolleginnen und Kollegen seines Amtes es ist, nicht nur in den derzeitigen Pandemiezeiten, aber gerade jetzt für die Bürgerinnen und Bürger und für die 19 Städte und Gemeinden des Kreises in Sachen Sport da und ein verlässlicher Partner zu sein. Hervorzuheben sei in diesem Zusammenhang die „schon immer” und „auf Augenhöhe” praktizierte Zusammenarbeit mit dem Kreissportbund Rhein-Sieg e. V.
Das sagt Rainer Land über
… die Organisation der Sportverwaltung
Das Kultur- und Sportamt des Rhein-Sieg-Kreises ist dem Dezernat 3 der Kreisverwaltung zugeordnet, in dem die Fachbereiche Schule, Jugend, Kultur, Sport und Archiv zusammengefasst sind. Wir kümmern uns um die kulturellen Aufgaben des Kreises, wozu auch die Aufgaben der Oberen Denkmalbehörde zählen, und um die sportbezogenen Aufgaben. Außerdem wird das Medienzentrum des Kreises von uns betreut, ebenso eine im Kreisbesitz befindliche Burgruine. Im Amt selbst arbeiten insgesamt 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wovon zwei Kolleginnen und Kollegen sich um die Sportbelange kümmern. Diese sehr geringe Personalausstattung erklärt sich zum einen aus der Struktur unseres Kreises, dem 19 Städte und Gemeinden angehören. Sehr viele klassische Sportamtsaufgaben, etwa die Trägerschaft von Sportanlagen oder auch die Sportentwicklungsplanung, werden vor Ort und nicht bei uns im Kreishaus wahrgenommen. Zum anderen arbeiten wir sehr eng mit dem Kreissportbund zusammen, den wir auch finanziell fördern und der unser Partner bei bestimmten Aufgaben, wie den genannten sportmotorischen Tests oder der Förderung der Übungsleitungsausbildung und -qualifizierung, ist.
Eine wesentliche Aufgabe des Sportamtes ist bei uns die Organisation der Schulsportwettkämpfe im Kreis (Landessportfest der Schulen). Dies geschieht in enger Kooperation mit dem Schulamt.
Mein bevorstehendes Ausscheiden aus dem aktiven Dienst ist übrigens Anlass für eine Neuorganisation. Demnächst wird das Aufgabenfeld Kultur und Sport mit dem Regionalen Bildungsbüro des Kreises zusammengelegt und in das Schulamt integriert.
… den Rhein-Sieg-Kreis
Der Rhein-Sieg-Kreis hat insgesamt 600.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Davon besitzen gut zehn Prozent nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach der Einwohnerzahl sind wir der drittgrößte Kreis in Deutschland.
In unmittelbarer Nachbarschaft der Städte Köln und Bonn gelegen, verfügt der Kreis in seinem Zentrum über eine ausgeprägte städtische Struktur. Die größten Städte sind Troisdorf (rund 75.000 Einwohnerinnen und Einwohner) und Sankt Augustin (rund 55.000). Zum Kreis gehören aber auch ländliche Gemeinden, von denen Ruppichteroth mit rund 10.000 Menschen die kleinste ist. Allen ist jedoch gemein, dass sie im weitesten Sinne zum Ballungsraum Köln/Bonn im südlichen Rheinland zählen.
Als Kreis unterhalten wir keine eigenen Sportanlagen – abgesehen von den Sportanlagen der Kreisschulen, vor allem der Berufskollegs und der Förderschulen, die im Rahmen der Kapazitäten auch dem Vereinssport zur Verfügung stehen. Ein großer Teil der über 120 Sportplätze, 220 Sporthallen und 30 Hallen- und Freibäder ist im kommunalen Besitz. Aber auch viele Vereine sind Träger von Sportanlagen.
Die Flutkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 hat besonders schwer die Städte Rheinbach und Meckenheim sowie die Gemeinde Swisttal betroffen und eine größere Anzahl von Sportanlagen beschädigt oder zerstört.
Im Rhein-Sieg-Kreis gibt es ca. 550 Sportvereine, die Mitglied in einem der 15 Stadt- und Gemeindesportverbände und im Kreissportbund sind, mit insgesamt gut 145.000 Mitgliedern.
Ein gewichtiger Faktor im Sport im Rhein-Sieg-Kreis ist die überregional bekannte Sportschule Hennef in Trägerschaft des Fußballverbandes Mittelrhein.
… die wichtigsten Aufgaben des Kultur- und Sportamtes zur Förderung des Sports und die aktuellen Höhe-/Schwerpunkte der Arbeit
Eine zentrale Aufgabe wird es sein, das Sportleben nach den Belastungen und Einschränkungen der Corona-Pandemie wieder in Gang zu bekommen. „Long Covid“ wird auch die Vereine und Verbände stark beschäftigen: Welche mittel- und langfristigen Folgen hat die Pandemie für die Strukturen?
Wir müssen uns ganz dringend auch darauf konzentrieren, dem Schulsport nach der langen Pause wieder Geltung zu verschaffen. Ein ganzes Schuljahr lang fand ja kaum etwas statt. Jetzt werden auch die Schulsportwettkämpfe wieder anlaufen.
Sehr froh bin ich darüber, dass wir die Zusammenarbeit mit dem Kreissportbund auf eine neue Grundlage stellen konnten. Seit 2004 regelt ein „Pakt für den Sport“ unsere Kooperation. Er wurde 2016 umfassend überarbeitet und jetzt noch einmal ergänzt und aktualisiert. Wir haben darin gemeinsame Ziele und Schwerpunkte definiert und Grundsätze sowie Handlungsfelder festgelegt. Dazu gehören auch konkrete Projekte und Finanzierungszusagen.
Wir sehen die ADS-Mitgliedschaft als einen Gewinn, weil
… wir den kollegialen Austausch sehr schätzen und weil gemeinsame Interessen eine starke Stimme brauchen!
6. Kostenfreie Sportgeräte
Die Firma Teqball hat ein ehrgeiziges Projekt an dem Sie alle Kommunen teilhaben lassen will. 1.000 Tischen sollen in Deutschland verteilt werden. Damit soll die Sportart in Deutschland noch bekannter gemacht werden. Den aktuellen Flyer zu der Aktion finden Sie hier (Sprechen Sie gern Herrn Artioli dazu persönlich an)
Was ist Teqball genau? Bevor Sie es nachschauen kommt hier die Wikipedia-Erklärung: Teqball ist eine Ballsportart, bei der mit einem Fußball als Rückschlagspiel über einen gewölbten Teqballtisch gespielt wird und die dabei die Elemente von Fußball und Tischtennis verbindet. Es kann von zwei Einzelspielern, vier Spielern im Doppel oder mehreren Spielern in der Runde gespielt werden. Der Ball darf dreimal berührt werden, bevor er auf die gegnerische Tischplatte zurückgespielt wird. Jeder Körperteil kann benutzt werden, um den Ball zu spielen außer Arm und Hand. Hauptsächlich benutzt werden Fuß, Knie, Kopf und Brust. Ein Punkt wird erzielt, wenn der Gegner den Ball fallen lässt, nicht zurückspielen kann oder gegen andere Regeln verstößt.